Der Wandel der Bestattungskultur in Deutschland
Der Wandel der Bestattungskultur in Deutschland:
Bis Mitte des 20. Jahrhunderts haben sich die Bestattungsgepflogenheiten in Deutschland nur sehr wenig verändert. Geprägt war diese Zeit durch die Großfamilie, in der mehrere Generationen unter einem Dach zusammenlebten. Nicht nur die Hausgeburt war zu dieser Zeit eine Selbstverständlichkeit, auch das Sterben erfolgte meist zu Hause im Kreis der nächsten Familienangehörigen. Altenheime konnten sich damalshöchstens die Reichsten leisten und
die Krankenhäuser dienten in erster Linie den Kranken. Die Versorgung des Verstorbenen erfolgte gewöhnlich durch die Familienangehörigen. Der Verstorbene wurde von diesen gewaschen und angekleidet und – zumindest in den ländlichen Gegenden – zu Hause im vom Schreiner gelieferten Sarg aufgebahrt. Dort bestand die Möglichkeit der Abschiednahme durch Verwandte, Freunde und Nachbarn. Erst am Tag der Bestattung wurde der Leichnam im sogenannten Trauerzug zur Trauerfeier und anschließender Erdbestattung geleitet. Die Organisation der Bestattung musste von den Angehörigen selbst durchgeführt werden. Nur in größeren Städten sorgte die Stadt für die Abholung der Toten und städtische Totengräber schaufelten das Grab.
Erst mit dem Beginn des Wohlstands nach dem zweiten Weltkrieg änderten sich die Ansprüche der Hinterbliebenen und damit auch oben beschriebene Bestattungskultur. Aus dem Totengräber, dem Schreiner, dem Floristen und den Bestattungsdiensten der Städte entstand ein neuer Berufszweig, der die Tätigkeiten der oben genannten Berufe zusammenfasste, nämlich der des Bestatters. Dieser übernimmt heute die komplette Organisation der Beerdigung und oftmals viele weitere Formalitäten auf Ämtern und Behörden. Eine besondere Ausbildung oder sonstige Voraussetzungen zur Erlangung dieses Berufes gab und gibt es bis heute nicht. Lediglich ein Gewerbeschein ist erforderlich.
Erst seit 2003 gibt es das Berufsbild der Bestattungsfachkraft und seit 2009 das Berufsbild des Bestattungsmeisters. Im Februar 2005 wurde das Bundesausbildungszentrum der Bestatter im unterfränkischen Münnerstadt eröffnet. Heute gibt es über 4.000 Bestatter in Deutschland. Vor allem in den Städten und Großstädten hat sich der Wandel der Bestattungskultur deutlich bemerkbar gemacht. Bereits mehr als jede zweite Bestattung in Deutschland ist eine Feuerbestattung. Früher nahezu undenkbar, heute selbst in religiösen christlichen Familien keine Seltenheit mehr. Eine Feuerbestattung (auch Urnenbestattung genannt) ist einerseits kostengünstiger als bei einer Erdbestattung, andererseits wurden in den letzten Jahrzehnten neue Trauerzeremonien und Bestattungsformen geschaffen, die diese Entwicklung beschleunigt haben bzw. weiter beschleunigen.
Das erste Krematorium im deutschsprachigen Raum wurde 1878 in Gotha errichtet. Die zunehmende Vereinsamung und Anonymisierung der Gesellschaft (besonders in Großstädten) spielt hier ebenso eine nicht unbedeutende Rolle.
So sterben heute beispielsweise über 80% in Kliniken und Heimen, oft einsam und allein gelassen. Ein Grund hierfür sind die Mobilität und die beruflichen Anforderungen, die viel Flexibilität verlangen.
Im folgenden möchte ich noch einige neuere Bestattungsformen vorstellen:
Friedwald (Baumbestattung)
Auf einem ausgewiesenen Waldstück wird die Asche des Verstorbenen in einer verrottbaren Urne an den Wurzeln eines Baumes beigesetzt. Diese Bio-Urne besteht aus Lignin und Naturfasern und zerfallen beim Zersetzungsprozess in Wasser und Humus. Der Baum kann bereits zu Lebzeiten ausgesucht werden. Die Kosten variieren je nach Lage und Art des Baumes im Friedwald. Auch kann ausgewählt werden, ob man an einen Familienbaum oder einem Gemeinschaftsbaum mit bis zu 10 Urnenplätzen beigesetzt werden möchte. Auch auf vielen Friedhöfen ist inzwischen eine Baumbestattung möglich.
Kolumbarium
Das Wort stammt aus dem lateinischen und bedeutet Taubenschlag. Heute bezeichnet man als Kolumbarium ein oberirdisches Bauwerk oder Gewölbe, das der Aufbewahrung von Urnen dient. Auf den Friedhöfen oft auch unter dem Begriff der Urnenwand oder Urnennische bekannt. Nach der Beisetzung wird die Wand oder Nische mit einer Steinplatte verschlossen. Auf dieser kann dann der Name des Verstorbenen angebracht werden.
Seebestattung
Hier wird die Asche in einer speziellen Seeurne in der Regel über „rauem Grund“ nach den seemännischen Bräuchen dem Meer übergeben. Der Kapitän spricht dabei die Trauerrede. Mit „rauem Grund“ sind Gebiete gemeint, in denen nicht gefischt oder Wassersport getrieben wird. Möglichkeiten bestehen hierfür nahezu in jedem Meer,
in Deutschland vor allem in der Nord- und Ostsee. Früher war die Seebestattung nur den Verstorbenen auf Schiffen möglich.
Anonyme Gemeinschaftsfelder
Diese findet man meist auf Friedhöfen. Die Beisetzung der Urne erfolgt dabei anonym. Den Angehörigen ist die genaue Bestattungsstelle nicht bekannt. Dies ist eine der kostengünstigsten Bestattungsmöglichkeit überhaupt.
Rasengrab
Auch diese Grabart ist inzwischen auf vielen Friedhöfen zu finden. Wie der Name andeutet, wird auf einem Rasengrab nach erfolgter Beisetzung Rasen gesät. Meist kann zudem ein kleiner Grabstein oder eine Grabplatte errichtet werden. Rasengräber sind besonders pflegeleicht und werden in der Regel vom Friedhofspersonal gepflegt.
Diamant- oder Kristallbestattung
Hierbei handelt es sich um keine eigentliche Bestattungsart, sondern um eine Feuerbestattung, bei der ein Teil der Kremierungsasche zu einem Diamanten oder Kristall veredelt wird. Die restliche Kremierungsasche wird in einer Urne in einem gewünschten Grab beigesetzt. Es gibt noch weitere Bestattungsformen, die jedoch in Deutschland nicht zugelassen sind, wie zum Beispiel die Naturbestattung.
Bei all diesen Bestattungsformen entfällt die spätere Grabpflege durch die Angehörigen. Dies ist einerseits eine Entlastung für die Angehörigen, kann sich jedoch für die Trauerbewältigung auch negativ auswirken.
So können beispielsweise nirgends Blumen abgelegt werden. Ein weiterer Wandel in der Bestattungskultur könnte in den nächsten Jahren auf uns zukommen, wenn die derzeit noch in den Gesetzen verankerte Sargpflicht für Bestattungen wegfällt.
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